525 000Tonnen Heiz- und Diesel-Ole verbraucht die Hapag-Flotte jährlich, aber nur 170 000 tonnen Rohöl erzeugte im Jahre 1930 die deutsche Erde. Verkehr und Industrie verbrauchen ungeheure Mengen an Betriebs- und Schmierölen, Deutschland, so arm es auch ist, muß daher Öl einführen aus den Ländern, die Mutter Natur damit reichlicher beschenkte. Zum ölreichsten Land der Erde, dem Süden der Vereinigten Staaten, führte mich im vorigen Sommer ein Tankschiff.
Als diese Schiff Ende Juli Hamburg verließ, lief ich mit neugierigen Augen darauf herum, all das Neue und Ungewohnte in mich aufzunehmen. Fünf Tage nur hatte das Schiff, die „Gedania“ der Standard-Dapolin-Reederei, zu Reparaturen an der Werft gelegen; fünf Tage – eine so kurze Zeit, mag der Leser denken. Und doch war das schon lange für einen „Tanker“. Kaum 24 Stunden ist sonst der Hafenaufenthalt, in der Heimat wie in der Fremde, schnell heraus oder herein mit der Ladung, „Rast’ ich, so rost’ ich „ ist der eherne Grundsatz der Männer des weltherrschenden Kraftspenders, des Oels, des „weißen Blutes der Wirtschaft“.
Das Schiff ist ich ein einziger schwimmender Tank; vielfach unterteilt, hat es die Möglichkeit, die verschiedenen Produkte des Rohöls gleichzeitig zu nehmen, vom wasserhellen Petroleum bis zum schwärzlichen dickflüssigen Asphalt. Auf Deck stehen kofferähnliche Kästen, mit fest verschraubbaren Deckeln versehen, Entlüftungsrohre tragend – die Tanköffnungen, daneben Rohrstutzen, die ebenfalls zu den Tanks führen, dazu Ventile und Schieber, die jede erdenkliche Trennung und Kombination der einzelnen Tanks erlauben. Trotzdem macht das Deck einen kahlen Eindruck, da die Größe des Schiffes, 12 000 Tonnen, alle diese Aufbauten nebensächlich erscheinen lässt.
Die Kommandobrücke ist zugleich Wohnraum, der seemännischen Offiziere. Die Mannschaften wohnen vorn, in für Schiffsverhältnisse großen und wohnlichen Räumen, das gesamte Maschinenpersonal rings um die ganz hinten stehende Maschine.
Natürlich werden die Kessel mit Oel geheizt, das ist auf einem Oeltanker nicht verwunderlich – aber auch die Küche feuert ausschließlich Oel, und es macht einen merkwürdigen Eindruck, den für eine Besatzung von 41 Mann berechneten Herd durch eine einzige aus einem nur fingerdicken Rohr sprühende, sausende Flamme erhitzt zu sehen. Zwei Meister wirken an ihm, bereiten das für alle Dienstgräde völlig gleiche, aber geradezu unübertreffliche Essen.
Mit dem Rückständen der letzten Ladung verläßt das Schiff den deutschen Hafen. Kaum ist das Deck in hastiger Arbeit von den letzten Spuren des Hafenaufenthalts gereinigt, so beginnt das Reinigen des Tanks, damit die neue kommende Ladung nicht verunreinigt wird. Zunächst ganz mechanisch, mit Schaufeln und ähnlichen Geräten entfernt man die gröbsten Rückstände. Gasreste schwängern die Luft in den leeren Tanks, eisglatt sind Einsteigleitern und Boden vom Oel. Mit keuchender Brust, mit tränenden Augen arbeiten Offiziere und Mannschaft im ätzenden Brodem des Tanks. Kaum damit fertig, brausen Wassermassen, mit Soda durchsetzt, heran und spülen gurgelnd die letzten Reste fort. Klares Waser folgt so lange, bis der Tank fürs Auge sauber erscheint. Aber noch sitzen in unzugänglichen Ecken Oelspuren, noch halten die vom Oel angefressenen Wände in Rissen und Rillen Oel fest. In den leeren Tank dringt Wasserdampf, steht über vier Stunden darin und beseitigt die verborgensten Ueberbleibsel. Und kaum hat man den Dampf ausblasen lassen, kaum hat sich der Tank nur um ein geringes abgekühlt, gerade die Kochtemperatur unterschritten, so steigen die Tankmänner, gegen die beißenden Dünste dick vermummt, abermals hinab in diese glühende, stinkende Hölle und legen die letzte Hand an die Säuberung der Tanks. Nur die kräftigsten unter diesen Zyklopgestalten hlten dies Arbeit aus, die unerhörte Anforderungen an Energie und Körper stellt. Darum – wenn Ihr an Land in Bequemlichkeit die Früchte ihrer Arbeit genießt – schenkt ihnen einen kurzen Gedanken, sie verdienen ihn, wenn sie ihn auch nicht erlangen; denn bescheiden ist der Seemann. Was wir an Land von ihm wissen, verdanken wir mehr oder weniger phantastischen Seeromanen oder den Schilderungen der meist auf Passagierschiffen reisenden „Reiseschriftsteller“. Nur wer hinausgeht, entschlossen, mit ihm wie er zu leben, mit ihm die spärlichen Freuden und den reichlich vorhandenen Ernst zu teilen, der wird ihn kennen und muß ihn lieben lernen. Einen Gruß euch übers Wasser, ihr Freunde auf der „Gedania“!
In gleichmäßiger Fahrt geht es während der schweren Arbeit über den Atlantischen Ozean, zehn Meilen die Stunde. Südwestlich ist der Kurs, der Floridastraße zu. Eine Reise, wie man sie selten hat auf dem bösen Atlantik. Dreizehn Tage Sonne! Leuchtend, strahlend blau die See; mäßig bewegt, zeigt sie das reiche Tierleben des Ozeans – Wale, Delphine, fliegende Fische, die wie weiße Schwalben über die blauen Gründe dahinschießen. Ein ganz netter Kerl geht uns an die Angel und wird, trotz seiner 40 Pfund vereinnahmt, ohne daß Vater Ozean eine Quittung verlangt. Seltsame Wolkentürme, schmal und riesenhoch wie erhobene Finger, umsäumen die Kimm; abends schillert das Meer von Leuchttierchen, und aus den Wolken zucken ununterbrochen die Blitze ferner Gewitter. Unwahrscheinlich hell steht die Milchstraße über dem südlichen Horizont, und nahe dem Zenit spritzen die Sternschnuppen der Augustschwärme wie Leuchtkugeln aus dem blausamtenen Nichts. Unvergeßlich diese Nächte!
Von den fernen Bahamainseln winken Palmen; wie zarteste Pastelltupfen schimmern eines Morgens die Hotels von Miami fern herüber, die „longest-railway-bridge oft he world“ bei Key-West steht wie ein Federstreich am Horizont – dann ist Florida vorüber, der Golf von Mexiko nimmt uns auf. Tiefer noch blaut sein Wasser als das des Atlantik, noch glühender strahlt seine Sonne, noch wilder sind die Farbensinfonien seiner Sonnenauf- und –untergänge.
Galveston in Texas. Das Übliche in USA – Angst vor der „emigration“. Dann Fahrt hinauf nach Baytown, wohin uns Kormorane und ähnliches Tropengetier begleiten, an dem Gewimmel der Oelbohrtürme vorbei. Kaum angekommen, haben zwei Schlepper das Schiff „wie auf´m Teller“ gedreht, Trossen fliegen an Land, und im Umsehen sind die fast mannsdicken Schläuche der Oelpumpen an Deck, werden an die Stutzen geschraubt oder speien die grünlich opalisierende brauen Flut in die geöffneten Tanks. Durch allerlei Zufälle verlängert sich der Aufenthalt um 24 Stunden auf fast zwei Tage. Alles kann einmal an Land gehen. Ich darf die Raffinerie besichtigen. Das Rohöl gibt durch erst mäßiges, dann immer höheres Erwärmen seine Stoffe je nach ihrem spezifischen Gewicht ab. Die zunächst gasförmigen Derivate werden durch Kühlung verflüssigt, mit Schwefelsäure und dann mit Sodawasser gewaschen und den Lagertanks von insgesamt 6.000.000 Faß Fassungsvermögen zugeleitet. Den Resten des Oels wird durch Zusatz von Wasserstoff, durch Erhitzung im Vakuum, später unter Druck, immer wieder wertvolles Gut entzogen, bis man glaubt, nun sei alles herausgezwungen und der Rest gehöre auf den Kehricht. Und dann kommt man an die letzte Bearbeitungsstelle und erfährt, daß ein allerneuestes Verfahren diesem Rest ein Benzin abzuzwingen versteht, so leicht, so flüchtig, daß es sich benimmt wie flüssige Luft, blitzschnell ohne jeden Geruchsrückstand verdünstet und weder transportabel noch allein für sich verwendbar ist. Nur als Verschnitt für Mittel- und Schwerbenzin nimmt es seinen Weg in die Welt.
Einst wird der Tag kommen, wo das flüssige Gold in der Erde erschöpft ist. Daher wirken die Wohnungen, die Geschäfte, die Anlagen des Ortes Baytown so provisorisch, so lieblos hingestellt. Nur die alles beherrschende Raffinerie wird bleiben, nahe der Völkerstraße Meer. Schon heute in Betrieb befindliche Rohrleitungen, Hunderte von Kilometer lang, bringen aus den Bezirken der Südstaaten das Oel in die Raffinerien der Golfküste.
Unsere „Gedania“ ist mit dem „Golde von Texas“ gefüllt, am frühen Morgen des zweiten Tages geht es wieder hinaus. Kaum in See, beginnt die andere Seite im harten Leben des Tankschiffers. Innen das Oel, außen See, Hitze und Wetter arbeiten am Schiff, wollen es durch Rost zerstören. Mit Hammer und Stahlbürste setzt man ihm energisch zu, bekämpft ihn, wo er sich auch zeigt. Farbe deckt seine Schäden dem Auge und hindert ihn am Weiterfressen. Es ist harte Arbeit, auf dem nie ruhig liegenden Schiff, auf dem hitzestrahlenden schwarzen Eisendeck in unbequemster Haltung den schweren Hammer zu schwingen und die Stahlbürste zu hantieren. Die Hitze, der Roststaub greifen Haut und Schleimhäute an; auf schwankendem Brett stehen und ohne rechten Halt die Farbe aufzutragen, ist Akrobatenarbeit.
Nachts erreichen wir den Bishop-Rock, den ersten Leuchtturm Europas. Der Englische Kanal zeigt am ersten Tage ein strahlendes Gesicht, am zweiten hat er schlechte Laune. Der unwahrscheinlich klare Horizont, der kalte Wind deuten auf schlechtes Wetter; und am nächsten Tage trudelt „Gedania“ bei bösem Nordwest in der Nordsee. Die Elblotsen kommen nicht heraus, langsam müssen wir uns bis weit hinter Helgoland vortasten. Endlich flaut der Seegang etwas ab, wir können einlaufen. Mit Sonnenaufgang liegen wir vor den Schläuchen in Hamburg, die Pumpen dröhnen.
Schwer wird der Abschied von dem Schiff, das fast sieben Wochen Heimat war. Und während man auf der Reederei noch verhandelt, schwimmt die „Gedania“ schon wieder die Elbe abwärts, wieder hinauf zum fernen Land, zu stets gleichbleibender eintöniger Arbeit. Das ist das Leben des Tankschiffers.